19. Juni 2019
Endlich in Russland angekommen!
Zusammen mit Natalie auf ihrer BMW F650GS und Matthias auf einer F850GS ging es nun weiter in Richtung Barnaul. Die Straße war recht gut ausgebaut. Dank unserer zügigen Fahrt mit meist 110 bis 120km/h hatten wir genug Zeit für einen russischen Imbiss und ganz wichtig, für Matthias Rauchpausen. Während dieser Pause brummten die drei anderen BMW-Fahrer, die wir zuvor an der Grenze trafen, an uns vorbei. Ich erhöhte an der Tanke schnell meine Reichweite aufs Maximum und dann hieß es ebenfalls wieder Gas geben. Eingeschüchtert von den dunkel aufziehenden Gewitterwolken erreichten wir die die Stadtgrenze von Barnaul. Die Skyline machte einen überraschend modernen Eindruck, mit zahlreichen Hochhäusern, vielen Leuchtreklamen und zahlreichen Geschäften.
Natalie und Matthias wollten sich diesmal ein typisch russisches, luxuriöses Hotel gönnen. Ich hingegen zog ein einfaches Hostel vor, welches bereits zuvor über booking.com gebucht wurde. Das Hostel lag im gleichen Stadtviertel wie das anvisierte Hotel der beiden. Demnach stand eigentlich einem gemeinsamen Treffen am Abend nichts im Wege. Bevor sich aber unsere Wege trennten, trafen wir wieder erneut auf die drei anderen BMW-Fahrer. Sie waren auch auf der Suche nach einem Hotel und schlossen sich den beiden an. Ich machte mich alleine auf den Weg zum Hostel.
Voraussetzung für meine Unterkunft war, und das wurde mir bei der Buchung zugesagt, sie sollte einen sicheren Stellplatz für meine Triumph bieten. Ich kam mit den ersten dicken Regentropfen dort an. Doch eine Kameraüberwachung an einer viel belebten Straße war für mich kein sicherer Stellplatz. Man lernt ja schließlich aus seinen Erfahrungen. Nach einigen Hin und Her-Überlegungen machte ich mich nochmals auf die Suche nach einer alternativen Unterkunft. Mittlerweile donnerte es schon und der Regen wurde immer stärker. So ein Mist, ausgerechnet jetzt.
Noch bevor ich das nächste Hotel erreichen konnte, ging dann schließlich ein Wolkenbruch nieder. Unter einem Vordach des Gebäudes suchte ich zunächst noch Schutz. Ein Gutes hatte der Regenguss allerdings. Die vom Vormittag, vom falschen Grenzübergang stammende Schlammschicht am Motorrad wurde deutlich geringer und hinterließ einen braune Spur auf dem Gehsteig.
Das Hotel war in einer Einkaufspassage integriert. Als der Regen nachließ, ging ich ins Gebäude und zu einem älteren Wachmann um nach der Rezeption zu fragen. Es stellte sich heraus, dass er gleichzeitig auch die Aufgaben der Rezeption übernahm. Per Google-Translator erklärte er mir, dass es in der Stadt eine Landwirtschaftsausstellung und ein 2-tägiges Pop-Festival gibt und kaum noch Betten zu finden seien. Auch dieses Hotel war restlos belegt. Angesichts meiner triefend nassen Erscheinung brachte der freundliche Wachmann mir einen Becher Kaffee der Marke GEHT AUFS HAUS. Dann zeichnete er mir auf einem Blatt Papier den Weg zu zwei weiteren Hotels auf, bei denen ich es versuchen solle. Kaum im hoteleigenen WiFi eingeloggt, erreichte mich die Anfrage von Natalie, ob in meinem Hostel noch Plätze frei sind. Ha-Ha-Ha! Auch die mittlerweile 5-köpfige Gruppe fand keine Unterkunft.
Zwei weitere Hotels und ein weiteres Hostel steuerte ich an, ohne Erfolg. Letzteres hatte bereits am Eingangstor und dann nach einer Außentreppe am Hauseingang im ersten Stock einen fetten Zettel aufgehängt. Ich konnte das in kyrillisch geschriebene Wort zwar nicht übersetzen, aber sicher stand da so etwas wie "Belegt" drauf. Leicht frustriert und ratlos klingelte ich trotzdem an der Tür. Eine Horde kreischender Teenies öffnete die Tür. Aahhh ja, das Popfestival! Meine Frage verpuffte bei diesem Anblick sofort und ich bat nur noch nach deren Wifi-Passwort, dass ich dann auch sofort bekam.
Mein Motorrad parkte unterhalb der Fenster des Hostels. Während meiner weiteren Recherche über booking.com und Google hörte ich ständiges Gekicher im Hintergrund. Dann blickte ich einmal zu einem der Fenster auf. Wie eine Gruppe junger Kätzchen die sich erschrecken, versteckten sich die Teenie-Mädels laut kreischend hinter ihren Doppelstockbetten. Dann blickte ich wieder auf mein Handy, zückte aber gleichzeitig aus meinem Tankrucksack meine Kamera, denn was da oben abging, war mir sofort klar. Die Mädels lagen zu zweit oder dritt auf auf der oberen Etage Ihrer Betten oder standen hinter den Vorhängen und filmten mich mit ihren Handys. Mit einer schnellen Bewegung standen wir uns mit gleichen Waffen gegenüber, das kurze Kreischen wich dann aber schnell freundlichem Winken - eine lustige Situation.
Was soll ich tun. Überall in der Stadt standen fette Pfützen. Moskitos waren wie wild auf Menschenblut aus. Eine Übernachtung in einem der Parks war somit ausgeschlossen. Gibt es denn keinen Campingplatz in der Nähe? Doch Google spuckte einen aus. Im 80km entfernten Örtchen Krasilovo gab es einen See, der auf der Karte irgendwie wie ein springender Frosch aussieht. Laut Google-Maps soll es hier angeblich einen Campingplatz geben. Doch die dazugehörigen Bilder hatte ich mir nicht angeschaut, denn außer einer Wiese und einem Grillunterstand mit ein paar Bänken und einer Holzhütte wäre hier nichts weiter zu erkennen gewesen. Also nichts von einer echten Infrastruktur zu entdecken, so wie ich es mir vorstellte, mit Rezeption, kleinem Supermarkt und Imbiss, einem Waschhaus und netten Campinggästen.
Ich setzte mich aufs Motorrad, winkte noch einmal meinen Teenie-Fans zu und fuhr los. Die Sonne lugte bereits kräftig gelb unter den abziehenden Gewitterwolken hervor. 80km! Also etwas über eine Stunde Fahrt. Das könnte eventuell vor der Dunkelheit noch klappen.
Rasch schlängelte ich mich aus dem Stadtgewusel auf eine freie Stadtautobahn. Die großen Pfützen waren mir egal, ich wich diesen nicht mehr aus, ich war eh schon dreckig und nass. Es ging wieder ostwärts. Die Sicht durch meine Brille verschlechterte sich allerdings. Jeder antrocknende Tropfen hinterließ eine braunen Flecken auf der Brille. Mit meinem auf dem Motorradhandschuh angebrachten Wischerblättchen machte ich es noch schlimmer. Die gesamte Brillenfläche wurde somit verkratzt. Das ist nun nicht mehr lustig. Alle auf der noch nassen Straße mich überholenden Autos hinterließen zusätzlich einen undurchsichtigen Sprühnebel auf meiner Brille. Was für eine blöde Idee jetzt noch so weit zu fahren. Aber es lief und der Verkehr nahm weiter außerhalb der Stadt deutlich ab.
Mit dem aller letzten Sonnenstrahl erreichte ich die Ausfahrt zu dem kleinen Örtchen. Von hier aus waren es nur noch rund 15km ins Landesinnere. In meinem Kopf spielte sich ein Film ab, dass ich gleich schnell mein Zelt aufbauen werde und in der Dorfkneipe etwas zu Essen und Trinken bekomme. Als Fremder und später Gast werde ich da schon noch was bekommen. Auf dem Weg dorthin passierte ich noch zwei Siedlungen, ohne jedoch nur eine Menschenseele zu treffen. Dann begann wieder einmal eine Schotterstraße. Die zog sich ewig hin und es wurde immer dunkler. Meine Navigation zeigte mir dann einen Weg nach rechts, steil und schlammig bergab. Nicht doch! Nicht bei der Sicht und der Einsamkeit. Es waren nur vereinzelnd kleine bäuerliche Holzhäuser und Stallungen zu erkennen, aber weder beleuchtet, noch irgend welche Menschen. Das ist nicht mein Tag!
Laut Navigation zogen sich zahlreiche kleine Wege kreuz und quer und irgendwie bis an den See. Ich sah nur fast nichts mehr. Es waren noch einmal richtige Offroad-Einlagen erforderlich, es ging über schlammige Spurrillen rauf und runter. Dann stand ich in einer Senke und weit und breit kein See und noch weniger ein Campingplatz zu sehen. Vor mir ein schnaubendes Pferd, das wild stampfend und Kopf nickend im Kreis umherlief. Es war mit einem langen Seil angepflockt und hatte anscheinend genauso viel Schiss vor mir wie ich vor ihm.
Mir reicht es jetzt! Ich stellte auf der Stelle und am Rande eines Wiesenhangs mein Motorrad ab, Legte mein großes Tarp übers Motorrad und zur Hangseite in einem Bogen daneben. So entstand ein Tunnel in dem ich dann meinen Schlafsack ausbreitete. Schnell Zähne geputzt, das Gesicht und meine Handflächen mit Antibrumm eingesprüht, Stopfen in die Ohren, damit ich diese blöden Moskitos nicht hören muss, wenn sie nach schmackhaften Hautstellen suchen, Stiefel aus und samt Kombi in den Schlafsack gelegt. Es war feucht und bereits stockdunkel und keine Minute später ging auch in meinen Hirnwindungen das Licht aus.
20. Juni 2019
Der Hahn in der Nachbarschaft holte alles aus sich heraus und kündigte den neuen Tag an. Das Pferd in meiner unmittelbaren Nachbarschaft hat sich wohl an meinem Anblick gewohnt und graste gemütlich. Gibt es frei laufende Hunde? Böse Hunde? Anscheinend war ich hier vor denen sicher. Alles war feucht. Meine Kleidung das Tarp, das Motorrad und die Wiese. Dicke Tautropfen glänzten in den ersten Sonnenstrahlen. Es befanden sich 5 Bauernhäuser um mich herum, aber nicht eine Menschenseele war zu erkennen.
Es hatte keinen Zweck darauf zu warten, dass meine Sachen, insbesondere das Tarp trocknet. Also packte ich alles pladdernass ein. Welchen Weg bin ich gestern im Dunkeln gekommen? Wie komme ich hier wieder raus? Egal, Versuch macht klug. Ich nahm den nach einer größeren Schlammpfütze leicht ansteigenden Weg gleich neben der Pferdewiese. Der Gaul schaute mich nur etwas mit erhöhter Vorsicht an, als die Triumph in seine Nähe kam. Aber er blieb ruhig. In welche Himmelsrichtung es gehen musste, war mir klar. Aber keiner der Wege ging gerade aus sondern schlängelten sich alle rauf und runter durch diese Ansiedlung.
Dann stand ich vor einer komplett von Auto- und Traktorspuren durchfurchten Senke. Wenn ich die schaffe, bin ich auf dem Hauptweg. Wenn nicht, hänge ich vermutlich stundenlang fest oder liege im Schlamm, bis mich jemand findet. Ich suchte mir eine halbwegs noch mit Gras bedeckte Linie aus, die aber sehr dicht an einer größeren Pfütze entlang führte. Traktionskontrolle und ABS waren ausgeschaltet, erster Gang eingelegt und mit nicht zu viel Gas und kontrollierter Kupplung wollte ich da durchziehen. NEIN!! OH DRECK! Mein Hinterrad rutschte wie auf Schmierseife seitlich quer in die tiefe Pfütze. Das kippen der Maschine konnte ich gerade noch verhindern. Nun stand ich aber um 90Grad verdreht zur Fahrtrichtung, das Hinterrad direkt vor dem hohen Rand der Pfütze, dass Vorderrad direkt in einer Spurrille. Keine Chance, da alleine wieder raus zu kommen. Und keine Aussicht, dass hier um 6:00Uhr in der Früh Hilfe vorbei kommt. Ruhe bewahren!
Ich saß auf der Triumph. Den Seitenständer konnte ich nicht ausklappen. Den Hauptständer ebenso nicht. Das Motorrad einfach ablegen dann wäre ich ganz verloren. Ich blieb sitzen und dachte nach. Schön dass die Triumph so schön niedrig ist. Ich stütze meine Stiefel gegen den Rand der Pfütze und rückte die Maschine 5cm nach hinten. 1 Gang eingelegt, 10cm mit eingeschlagenem Lenker nach rechts nach vorne getreckert und wieder 10cm nach hinten mit eingeschlagenem Lenker nach links. Das Spiel funktionierte, das Motorrad drehte sich langsam und nach X-Mal hin und her stand ich zwar mitten in der dicken Pfütze, aber in Fahrtrichtung und ohne Hindernisse vor den Reifen. Die Traktion war perfekt und ich war raus aus dem Schlammassel.
Die kleine Engländerin und ich sahen aus wie die Sau - wieder einmal! Meine Sachen waren alle komplett nass. Jetzt so weiter fahren? Nein, ich entschied mich dafür noch einmal zurück nach Barnaul zu fahren. Es waren noch keine neun Uhr, als ich dem stadteinwärts stockendem und hohem Verkehrsaufkommen entronnen war und eine Car-Wash-Anlage ausfindig gemacht hatte. Allerdings waren die Hallentore der Waschanlage noch verschlossen. Direkt am Eck des Gebäudes befand sich ein kleiner Schlüsseldienst, vor dem der Besitzer auf einem Stuhl sitzend auf seine ersten Kunden wartete. Ich fragte nach der Öffnungszeit der Anlage und keine 5 Minuten später saß ich mit einer heißen Tasse Kaffee in der Hand auf dem Stuhl. Russische Gastfreundschaft! Ich liebe Russland!
Meine Motorradwäsche sorgte bei den Angestellten nicht unbedingt für Begeisterung. Denn nur widerwillig wurden die Dampfstrahler auf mein zweirädriges Schlammpaket gerichtet, denn der Dreck viel auf den Hallenboden und war nur mit Mühe durch die Abflussgitter zu fegen. Und das alles neben den berets polierten Luxuslimousinen. Aber die kleine Engländerin und ich strahlten danach auch wieder. Anschließend suchte ich eine geeignete Stelle mein Tarp und Schlafsack irgendwo trocknen zu können. An dem Eingangstor zu einem Stadtpark wurde ich fündig. Das große Eisentor wurde mit den Sachen zum Trocknen behängt und zum Glück kam nun auch die Sonne raus und lies binnen einer Stunde den letzten Wassertropfen verdampfen. Von den Besuchern des Stadtparks wurde ich argwöhnisch beäugt. Nur eine ältere Dame, die mit einem Kinderwagen ihren Einkauf nach Hause karrte, lächelte mich an und stellte neugierig ihre Fragen. Natürlich auf russisch. Als sie dann erfuhr, dass ich aus Deutschland kam, sprach Sie auch in einem gebrochenen deutsch mit mir. Die Dame war so süß und freundlich. Zum Abschluss kramte sie aus ihrer Handtasche noch ein paar Bonbons hervor, gab sie mir und wünschte mir eine gute Reise.
Nun aber raus aus der großen Stadt. Es war bereits früher Nachmittag und die ersten Gewitterwolken türmten sich bereits wieder auf. Ich schaffte so noch viele Kilometer in Richtung Osten, bis mich meine Müdigkeit nach einem geeigneten Zeltplatz Ausschau halten ließ. Es war schönstes Wetter, die Sonne schien und es war warm. Optimal zum Wildcampen.
Am rechten Straßenrand türmten sich einige relativ hohe und künstlich aufgeschüttete Kiesberge auf. Zunächst verliefen diese parallel zur Straße und waren nur an einer Stelle von einer Durchfahrt zu einem großen Kieswerk unterbrochen. Am Ende verliefen diese Kiesberge im rechten Winkel weg von der Straße gefolgt von einem Schotterweg. Dahinter wurde es wieder schön grün, mit hohen Birken und saftigen Grasflächen. Also schnell auf den Schotterweg abbiegen, ohne große Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer zu erzeugen. Nach einer steileren Hügelüberfahrt verschwand der Schotterweg in einem Wald. Ob es dahinter noch eine Siedlung oder das Betriebsgelände des Kieswerk gab, konnte ich nicht erkennen und wollte ich auch nicht. Mein Ziel war unentdeckt zu bleiben um in Ruhe mein Zelt aufzuschlagen.
Ein weiterer kleiner Abzweig führte direkt auf eine Lichtung mit hohem Gras und nur vereinzelnd kleineren Birken und Büschen darauf. Ein idealer wilder Zeltplatz, so dachte ich. Doch das Einzige was wirklich wild war, waren die Moskitos. Woher wissen die so schnell, das frisches Blut angekommen ist? Ganze Hundertschaften kamen angeflogen und fanden meine schwitzige Haut zum Anbeißen und durchbohrten mit ihren kleinen Blutsauger-Rüsseln sofort meine Haut.
Da muss ich jetzt durch, ich will nach der letzten anstrengenden Nacht relaxen und die warmen Sonnenstrahlen der Nachmittagssonne genießen. Also kam Antibrumm bzw - No-Byte-Spray zum Einsatz. Für eine ganze Weile zogen sich diese Plagegeister auch zurück - wie schön.
Mein Zelt war schnell im hohen Gras aufgebaut. Es war dadurch gut versteckt aber auch so gut gepolstert, dass ich mir sie Luftmatratze sparen konnte. Die mitgebrachte Dose Bier schmeckte mir auf meinem kleinen Campingstuhl in der Nachmittagssonne sitzend extrem gut. Doch warum fahren immer wieder Autos diesen Schotterweg entlang. Was ist da am Ende des Waldes? Das werde ich erst am nächsten Morgen herausfinden, jetzt bin ich zu faul.
21. Juni 2019
Ich wachte wieder einmal mit der aufgehenden Sonne auf. Im Vorzelt lauerten bereits einemillionensiebzehn Stechmücken auf mich. Das Packen meiner sieben Sachen war somit in aller Eile und von zig Stichen begleitet kein Vergnügen. Doch was ist hinter dem Wäldchen. Ich tuckerte mit meiner Triumph zurück zum Schotterweg und dann durch den Wald. Welch Überraschung, ein riesiger Badesee mit glasklarem Wassertat sich vor mir auf. Ärgerlich, dass ich gestern Abend nicht mehr die Energie hatte, um bis hier weiter zu fahren und diesen schönen Ort zu entdecken. Schön wiederum, dass ich wenigstens jetzt meine klebrige und juckende Haut endlich ordentlich abschrubben konnte. Ja, der See war eiskalt, aber es ist ein herrliches Gefühl. Das Müsli-Frühstück am Ufer des Sees war auch lecker und so konnte meine Fahrt gut gelaunt in Richtung Altei-Gebirge weiter gehen.
Weiterfahrt durchs schöne Altei-Gebirge bis kurz vor Shashikman. Die Landschaft ist hier rau und lieblich zugleich, beeindruckend schön wie in der Schweiz oder im Allgäu, oder im Siegerland ;-) Ich genoss diesen Flow, trotzt immer stärkerem Verkehrsaufkommen durch die vielen Wochenendurlauber. In manchen Orten staute sich der Verkehr über Kilometer, aber nur für Autos und LKWs. Meine Triumph fand immer eine Spur um sich vorbei zu schlängeln. Ich spürte die neidischen Blicke der genervten Autofahrer in meinem Rücken. An einer Weggabelung ging meine Route nach links weg über eine Brücke und mit einem Male war Ruhe. Ich hatte die gut geteerte und kurvenreiche Straße für mich alleine. Die meisten Wochenend-Ausflügler fuhren wohl weiter auf der Hauptroute in die Touristikorte des Altei-Gebirges. Es ist schön so alleine mit seiner eigenen Wohlfühl-Geschwindigkeit zu cruisen. Es gab einfach keinerlei Druck oder Langeweile mehr, der in einer Gruppe automatisch entsteht, wenn zu unterschiedliche Fahrstile zusammen kommen.
Nachdem bereits wieder über 270km abgespult waren, verspürte ich das Bedürfnis für eine Rast. Es war in der Nachmittagssonne auch schon recht warm unter meinem Kombi, meine Füße glühten. Da entdeckte ich rechts unterhalb der Straße eine interessante Holzbrücke die über einen kleinen Fluss in ein Waldstück führte. Vor meinem inneren Auge sah ich mich schon in Badehose einmal kurz ins Wasser tauchen. Doch als ich ohne Schlenker eine der beiden Holzstege der Brücke überfahren hatte, erkannte ich 3 Gestalten am Flussufer die mich beobachten und mich gleich zu sich riefen. Ich verstand kein Wort, den angebotenen Vodka lehnte ich aber dankend ab. Aber einen wertvollen Hinweis, über den ich mich kurz darauf sehr gefreut habe, gaben sie mir doch. Ich solle ein Stück weiter durch das Waldstück fahren und ...
Kurz darauf stand ich vor dem Torbogen eines wunderschön gelegenem Hütten-Camp mit ca. 12 Hütten in verschiedenen Größen. Einige Familien mit Kindern spielten davor in der warmen Sonne. Gleich nach der Zufahrt stand eine Holzhütte mit einem Vorzelt mit Tischen und Bänken. Ein junges Mädel kam heraus und nach kurzem Wortwechsel im russisch-englisch-Mix wies Sie mir die Hütte Nr.7 zu. Es dauerte nicht lange, da standen bereits einige Familienväter mit Ihren Handys vor meinem Motorrad und baten mich, dass doch ihre Kleinen mal darauf Platz nehmen dürfen - fürs Familienalbum. Am Ende ging es aber darum, dass auch die Väter mal darauf Platz nehmen durften ;D.
Die Sprachbarriere wurde dank GoogleTranslate sehr schnell überwunden, so hatte ich Opa Nikolei für den gesamten Aufenthalt als häufigen Gesprächspartner. Er führte mir seinen professionellen Metalldetektor vor mit dem er auch gleich vor meiner Hütte fündig wurde. Eine abgerissene Lasche einer Bierdose.
Zwischenzeitlich konnte ich meine Wäsche in einer einfachen Waschmaschine mit 6 Minuten-Programm durchspülen und schleudern. Perfekt! Bei Einbruch der Dämmerung zog ich mich dann in meine gemütliche Hütte zurück, um noch ein paar WhatsApp-Nachrichten zu schreiben. Auch Matthias und Natalie meldeten sich. Sie waren nur 50km hinter mir in einer anderen Unterkunft. Wir machten für den nächsten Tag den Ort Kosch-Agatsch als gemeinsames Ziel aus. Dies ist der letzte größere Ort vor der Grenze zur Mongolei.
22. Juni 2019
Nach einer wunderschönen Fahrt durchs Altei-Gebirge mit netten, kurvenreichen Passstraßen kam ich Nachmittags in Kosch-Agatsch. Einige Unterkünfte waren bereits belegt, darunter leider auch ein tolles Traveller-Hotel. Mein kleines Hostel war auch ganz akzeptabel, zumal ich ein Zimmer für mich alleine beziehen konnte. Matthias und Natalie kamen einige Zeit später an. Die beiden fanden noch im Nachbarhaus einen Unterschlupf.
So nutzten wir die Abendstunden im Sonnenschein für einen Spaziergang am benachbarten See und beobachteten das Schauspiel, wie Mutter und Tochter zwei ausgebüchste Gänse versuchten einzufangen. Danach gab es noch ein mäßiges Essen in einem Café. Die beiden hatten für den nächsten Tag noch einen Ausflug zu einem bunten Felsen vor und wollten dort noch eine weitere Nacht zelten. Doch mir war klar, dass es regnen wird. Für mich war das keine Option.
23. Juni 2019
Es ist ein Sonntag. Wie geplant, fuhr ich am frühen Morgen in Richtung mongolischer Grenze weiter. Es war ein kühler grauer Morgen. Von hinten nahten immer dunkler werdende Wolken, die mit Sicherheit den vorausgesagten Regen im Gepäck hatten. Nach rund 90km traf ich in dem kleinen Grenzörtchen ein. An der letzten Tankstelle vor der Grenze füllte ich noch einmal meinen Benzinvorrat. Während ich bezahlte, deutet der Tankwart an, dass die Grenze heute geschlossen sei. Wie bitte?
Ja, es war so. Die Grenze ist Sonntags dicht. Warum erzählt einem so etwas niemand? Zumindest der letzte Hostelbesitzer hätte mich doch darauf hinweisen können. Zum Glück gab es in diesem Ort noch ein Hotel. Als ich früh am Morgen dort einzog, war ich der einzigste Gast. Mein Motorrad stand alleine auf dem großen Parkplatz. Das gefiel mir nicht so recht. Aber was soll es? Die Zeit nutzte ich erneut zum Schreiben. Der Tag verging und immer mehr Reisende, die von der verschlossenen Grenze überrascht wurden, zogen im Hotel ein. Es waren überwiegend Motorradfahrer.
Bis zum Abend gesellten sich noch Matthias, Natalie, Franz, Konrad, Helmut, Walter und ein weiterer GS-Fahrer aus der Türkei dazu. Da nicht nur die Grenze geschlossen auch der örtliche Supermarkt nicht geöffnet hatte, wurden alle Vorräte aus den Aluboxen der GS-Fraktion zusammengeschmissen und eine große, leckere Portion Spaghetti mit Tomatensoße für alle gekocht. Der letzte Abend in Russland ging somit recht gemütlich zu Ende.
24. Juni 2019
Zusammen mit dem türkischen GS-Fahrer schlängelte ich mich vorbei an der bereits langen Autoschlange vor dem ersten Schlagbaum. Nun standen wir da, ganz vorne. Hinter uns viele Mongolen aus einem Reisebus und aus den anderen Fahrzeugen. Auch eine langer Konvoi bestehend aus russischen Tanklastzügen wollte in die Mongolei einreisen. Die Grenze öffnete erst um 10Uhr somit blieb reichlich Zeit für alle Wartenden für nette Gespräche und vor allem für unzählige Selfies und Gruppenfotos jeglicher Konstellation. Als dann alle anderen Motorradfahrer ebenfalls bis ganz vorne sich direkt hinter uns einreihten, entstand eine schöne fröhliche Runde. Niemand der Autofahrer hat sich daran gestört, dass sich die Zweiradfraktion quasi vor gedrängelt hat.
Dann wurde das große Tor geöffnet. Aber erst nur für alle Tanklastzüge und für den mongolischen Reisebus. Na toll - das kann jetzt dauern! Ein ewig langer Grenzübertritt in die Mongolei sollte folgen.
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